ROMEO UND JULIA

Hamburger Abendblatt, 21. März 2006

Das Label SHAKESPEARE und PARTNER deutet bereits auf eine verschworene Gruppe hin, die sich zur Aufgabe macht, den Briten-Klassiker „authentisch“ zu zeigen. Norbert Kentrup und sein Team haben – wie zum „Macbeth“ vor drei Jahren – nun für „Romeo und Julia“ die Shakespeare-Bühne nach dem „Globe“ – Modell im Theater Altona aufgeschlagen. Hell bleibt der Saal, in den das Podium mit den berühmten drei Türen, mit Balkon und Treppen aus Leichtmetall-Streben vorstößt.
Bevor die sechs Schauspieler als verfeindete Capulets und Montaques aneinandergeraten, zanken sie sich über die Zuschauer hinweg beim Programmme-Verhökern. Plötzlich sind sie mitten im Spiel. Wie einst bei Shakespeare schlüpfen sie in mehrere Rollen, verfolgen auf Sesseln das Geschehene. Elke Küppers, die Romeos Nebenbuhler spielt, nimmt sich vor dem Auftritt als Lady Capulet das Bärtchen ab, die deftige Amme Barbara Kratz verwandelt sich mit Stirnband und Pistolenhalfter in den Raufbold Tybalt. Nur das Liebespaar Dominique Lüdi und Navid Akhavan bleibt sich und den Rollen treu bis in den Tod.
Der kühle Raum schafft Konzentration auf die Darstellung und Sprache. Während sich die älteren Schauspieler eher auf routinierte komödiantische Ausdrucksmittel verlassen, wagt das jüngere Trio, sich auf ehrliche Weise die Figuren anzueignen. Akhavans impulsiver Romeo läßt seinem Temperament völlig freien Lauf, während Lüdi ihrer Julia persönliche Herbheit und emotionale Zurückhaltung bewahrt. Wie sie kommt auch Urs Stämpfli von der Theater Hochschule Zürich. Sein aus Hilfsbereitschaft das Drama auslösender Pater Lorenzo bleibt ebenso konsequent bei sich wie Lüdis Julia – ohne Theatergetöne.


DIE WELT, 21. März 2006

In der modernen, mitunter trefflichen, durchweg ziemlich flapsigen Übersetzung von Maik Hamburger – „Ich bin doch keine von seinen Strullitrullis“ – erzählt Kentrup, Mitbegründer von „SHAKESPEARE und PARTNER“ die derzeit zu Gast im Altonaer Theater sind, die Geschichte von „Romeo und Julia“ geradlinig als Countdown. Der Zeitablauf wird angezeigt, wir wissen, was die Stunde geschlagen hat. Edelstahlgerüste und Stühle (Bühne: Sibylle Meyer), reichen als Ausstattung für sechs Darsteller...Auf einer bis in den Zuschauerraum vorgezogener Bühne kommunizieren sie mit dem Publikum im hellerleuchteten Theatersaal, mischen sich unters Volk, nachdem sie schon als Programmverkäufer den Zuschauern Laune machten.


NDR, 20. März 2006

Es ist wohl das bekannteste Liebespaar der Welt: Romeo und Julia. Und es ist das meistgespielte Drama von William Shakespeare. Jetzt hat es das Altonaer Theater gewagt, eine neue Fassung auf die Bühne zu bringen und dafür den Shakespeare-Experten Norbert Kentrup als Regisseur verpflichtet...
Am Ende stehen alle auf der Bühne und singen – auch die, die eben noch tot waren. Ein unerwartet-versöhnlicher Schluss des bekanntesten Liebesdramas der Welt – und bezeichnend für die gesamte Inszenierung. Denn die verzichtet bewusst auf intellektuelle Interpretationen und zeitkritische Anspielungen sondern nähert sich dem Stoff direkt, spielerisch und unverkrampft...
Kentrup hat sich in den 80er und 90er Jahren mit seiner Bremer Shakespeare Company in Deutschland und Europa einen Namen gemacht. Er steht für werktreue Inszenierungen in der Tradition des englischen Globe Theatre, im sogenannten ungeteilten Bühnenraum, wie zu Shakespeares Zeiten. Das heißt: Bühne und Zuschauerraum gehen ineinander über, alles ist hell erleuchtet, die Schauspieler wenden sich beim Spiel immer wieder dem Publikum zu – und das Bühnenbild ist minimalistisch. So auch im Altonaer Theater...Das Stück lebt von der Spielfreude der Schauspieler, allen voran Romeo und Julia...
Bei Kentrup ist Romeo kein melancholisch-grübelnder Jüngling...sondern ein feuriger Latin Lover, überzeugend verkörpert vom jungen Navid Akhavan, einem gebürtigen Iraner. Die Schweizerin Dominique Lüdi gibt die Julia, schwärmerisch und trotzig. Alle Akteure dürfen auch ihr komisches Talent zeigen. Denn Kentrup bricht die tragische Handlung immer wieder mit komödiantischen Elementen. Das kommt an beim Publikum...
„Romeo und Julia“ im Altonaer Theater will nicht tief gründen, sondern die Geschichte erzählen, wie sie ist – und siehe da, es funktioniert. Wegen der dynamischen Inszenierung, der Spiellust der Akteure und nicht zuletzt weil die Geschichte einfach trägt – eine Hommage an die Liebe und das Feuer, das sie entfacht...


Rheinischer Merkur März 2006

Die Produktion mit der Freien Truppe „SHAKESPEARE und PARTNER“ zeigt, mit welch geringem Aufwand sich Shakespeare spielen lässt: sechs Darsteller in zehn Rollen, schön kostümiert, auf einer ortlosen, dem Londoner Globe Theater angenäherten offenen Spielfläche. Temperament und Spielwitz ...große Schauspielkunst, die Barbara Kratz (Amme/Tybalt) beisteuert. Norbert Kentrups kluge Inszenierung bietet Volkstheater im besten Sinn und kommt ohne interpretatorische Originalitätssucht aus.